Die Mischung macht’s – die Digitalisierung des Unterrichts aus Verlagssicht

Die Corona-Pandemie hat in Deutschlands Schulen wie ein Digitalbeschleuniger gewirkt. Lehrkräfte mussten in kurzer Zeit den Distanzunterricht organisieren und sicherstellen, dass die Schülerinnen und Schüler auch zu Hause mit den lehrplanrelevanten Inhalten versorgt werden. Schulbuchverlage wie Westermann haben sich darauf eingestellt – und entwickelt.

Sie wissen auf jede Frage eine passende Antwort: Frank Tscherwen und Stephan Kyas (re.)

Trotz aller wahrgenommenen Defizite beim Homeschooling wie instabiler Internetverbindungen oder dem noch nicht vertrauten Umgang mit Videokonferenzen gab es viele beeindruckende und kreative Ansätze zu beobachten, wie Schüler auch über die Distanz hinweg fachlich und pädagogisch betreut werden können. Lehrerinnen und Lehrer haben ihre Klassen in dieser Ausnahmesituation hoch engagiert begleitet – mit selbst produzierten Lehrvideos, Unterrichtsaufzeichnungen, persönlichen Lernpaketen, Betreuung via Telefon und vielem mehr.

Wichtiger Aspekt ist dabei die Arbeit mit Learning Management Systemen. War das Organisieren des Lernens über solche Systeme an den Schulen vor Corona eher Ausnahme als Regel, erleben wir heute einen selbstverständlichen Umgang beim Setzen und Erledigen von Terminen, beim Hoch- und Herunterladen von Materialien oder Lernergebnissen. Das fördert nicht nur die digitale Kompetenz, sondern auch die Fähigkeit zur Selbstorganisation der Schülerinnen und Schüler in hohem Maße. Sie lernen, eigenständig mit Abgabefristen umzugehen, Informationen zu recherchieren, komplexe Aufgaben selbstständig zu lösen und sich ihren Tag und ihre Arbeitskraft selbst einzuteilen. Die Schüler schaffen sich so ihre eigene Ordnung.

Das gelingt nicht allen gleichermaßen gut und es scheint offensichtlich, dass die Heterogenität beim Lernverhalten wie auch bei den Lernleistungen der Schüler seit Corona weiter steigt.

Dies wiederum führt dazu, dass der individuellen Förderung eine noch größere Bedeutung zukommt.

Dazu gehört neben der Binnendifferenzierung auch, dass Schüler verschiedene Lernpfade zum gleichen Ziel gehen können. Lehrkräfte können individuelles und adaptives Lernen jedoch aufgrund der eigenen zeitlichen Ressourcen nur mit technischen Hilfsmitteln organisieren. Bildungsmedienverlage entwickeln sich und ihre Angebote entsprechend weiter, sodass für verschiedene Nutzergruppen und Lerntypen unterschiedliche und jeweils passende Bildungsangebote bereitstehen.

Wer nach wie vor das gedruckte Schulbuch im Unterricht einsetzen und um digitale und/oder Print-Materialien ergänzen möchte, wird ebenso unterstützt, wie Lehrkräfte, die das Schulbuch in einer digitalen Variante verwenden. Eine hybride Nutzung aus analogen und digitalen Angeboten wird sicher noch lange Bestand haben. Denn Unterricht mit dem gedruckten Schulbuch muss keineswegs altmodisch sein. Hier muss auch oftmals auf die vorhandene technische Ausstattung Rücksicht genommen werden. Im Vordergrund stehen der Inhalt, der Gegenstand des Unterrichts, auch wenn sich die Darreichungsformen unterscheiden, sowie die Unterrichtsmethoden.

Das Andocken immer weiterer Kranzmaterialien an ein Schulbuch oder dessen digitaler Entsprechung stößt jedoch in seinen Entwicklungsmöglichkeiten irgendwann an Grenzen und kann die Potentiale des Digitalen nicht vollständig ausschöpfen. Daher wird sich das Schulbuch  weiterentwickeln, und seine großen Chancen liegen dabei in der Digitalisierung und in einer Veränderung seiner Nutzung: vom linearen Konsum hin zu aktiver, ganzheitlicher Anwendung.

Es wird von Lehrern und Schülern personalisierbar sein und neue Horizonte für den Unterricht eröffnen. Der Lehrplan wird darin mit interaktiven und multimedialen Inhalten umgesetzt, die sich binnendifferenziert an jeden Schüler und responsiv an jedes Endgerät anpassen. Lehrkräfte wie auch Schülerinnen und Schüler können ihre eigenen Denkprozesse, Ergebnisse und Materialien direkt an den Inhalten festhalten, erweitern sowie in den Unterricht oder das Lernen zu Hause einbeziehen. Interaktive Werkzeuge und Aufgaben ermöglichen vielfältige Lernoperationen, deren Prozesse und Ergebnisse festgehalten werden können. 

Das Schulbuch wird sich so zu einem integrierten Bildungssystem für den Unterricht und zum Selbstlernen weiterentwickeln und kann dadurch zu einem persönlichen Begleiter beim Lehren und Lernen werden. All das wird vermutlich auch zu einer Veränderung der Unterrichtskultur führen. Dass sich die Rolle von Lehrerinnen und Lehrern von der Wissensvermittlung in Richtung Moderation bewegt, ist inzwischen vielfach beschrieben worden. Wenn 25 oder 30 Schüler an zum Teil unterschiedlichen Inhalten parallel arbeiten, wird auch die Notwendigkeit dafür plausibel. Adaptive Lernsysteme bieten dafür die technischen Möglichkeiten und unterstützen Lehrkräfte und Schüler beim individuellen Lernen. Als besonders effektiv erweist sich dabei der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Ein KI-basiertes Rückmeldesystem, das in der Lage ist, die Eingaben von Schülerinnen und Schülern in interaktiven Englisch-Aufgaben zu erkennen und passende Rückmeldungen gleich während des Übens zu geben, wird derzeit bei Westermann mit mehreren Testschulen erprobt.

Die Technologie dahinter nennt sich SmartResponse und wurde gemeinsam mit der Firma Retresco aus Berlin entwickelt. Es handelt sich um einen KI-gestützten Service, der Fehler in Schülereingaben erkennt und automatisch erstelltes Feedback auf mehrere Hundert sprachliche Phänomene des Englischunterrichts gibt. So erhalten die Schülerinnen und Schüler je nach Aufgabenstellung qualifiziertes Feedback, das ein Scaffolding  von Eingabe > Rückmeldung > neuer Eingabe usw. ermöglicht. Es entsteht ein schrittweises und individuelles Heranführen an eine richtige Lösung, ohne diese vorwegzunehmen. Die Schüler können in ihrem eigenen Tempo an unterschiedlichen Kompetenzbereichen arbeiten, je nach aktuellem Kenntnisstand. Lehrkräfte können jedem Schüler das gerade passende Übungsmaterial zuweisen und werden von aufwändigen Korrekturarbeiten entlastet. Die frei gewordene Zeit lässt sich für andere Aspekte des Unterrichts nutzen. Denn das soziale Lernen, der gemeinsame Austausch und die Auseinandersetzung über den Lerngegenstand bleiben unerlässlich.

Digitale Angebote lassen sich als technische Unterstützung begreifen, als Datenlieferanten, die z.B. Informationen über den Wissenstand und die Defizite von Schülerinnen und Schüler bereitstellen. Diese Informationen sind „händisch“ nur mit weit größerem Aufwand zu ermitteln und können von Lehrkräften auf vielfältige Weise genutzt werden, z.B. um adäquate Lernangebote an der passenden Stelle zu geben. Es sind Werkzeuge und Hilfsmittel, um sich die Phänomene des Unterrichts besser zu erschließen oder diese besser vermitteln zu können. Entscheidend für gute Bildungsmedien, egal ob Schulbuch oder digitales Lernsystem, ist die didaktisierte Umsetzung des Lehrplans: Der rote Faden, der Orientierung, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit bietet. Das bleibt Aufgabe der Verlage, auch in Zukunft. Denn es gilt:

Die Mischung macht’s!

Weitere Informationen zu Smart Response und Testmöglichkeiten finden Sie auf: https://smartresponse.westermann.de