Was aus mir geworden ist, verdanke ich nicht der Schule.

Ein Interview mit dem Cleverly-Gründer Fredrik Harkort...

Schule: Wie kommt ein Digitalunternehmer wie du dazu, in Sachen Bildung zu investieren?

Fredrik Harkort: Unternehmer zu sein, ist meine ganz große Passion. In den vergangenen zehn Jahren habe ich im Bereich Ernährung engagiert. Mit meiner letzten Firma Body Change haben wir über einer Million Menschen dabei geholfen, ihre Ernährung umzustellen. Ende 2020 habe ich Body Change verkauft und so stand ich gemeinsam mit meiner Frau – mit der ich das Unternehmen geführt habe – vor der Frage, was wollen wir als nächstes gründen?

Da wir mittlerweile zwei Kinder haben und eines davon in die zweite Klasse geht, ist das Thema Bildung sehr stark in unseren Fokus gerückt. Wir haben uns gefragt: Wie ist denn eigentlich unser Bildungssystem aktuell aufgestellt? Werden unsere Kinder wirklich gut aufs Leben vorbereitet? Und was können wir eigentlich dazu beitragen? Ich selbst bin die ersten sechs Jahre auf eine Waldorfschule gegangen und hab schon während der Schulzeit festgestellt, dass ich keine Förderung erhalte, die zu meiner Leidenschaft und meinen Talenten passt. Was aus mir geworden ist, verdanke ich nicht der Schule. Sie hat mich insofern nicht wirklich gut aufs Leben vorbereitet. Die Schulzeit hat mir gezeigt, dass das Schulsystem viel individueller ausgerichtet sein muss – und entsprechend wollte ich eine Nachhilfeschule entwickeln, wie ich sie mir damals gewünscht hätte.  

Es fehlt an Selbstbewußtsein

Aber hat nicht auch die Corona-Pandemie die Idee geleitet, nämlich sich online zu orientieren?

Na ja, ich bin ja Digital-Unternehmer, da war das naheliegend. Aber insgesamt hat natürlich Digitalisierung in der Schule großen Nachholbedarf. Und mit so einer Idee willst du unglaublich viele Schüler und Schülerinnen erreichen – landesweit, vielleicht sogar weltweit. 

Wann habt Ihr eure Online-Nachhilfe gegründet, und mit welchem Angebot mit welcher Angebotspalette seid Ihr angetreten?

Gegründet haben mein Co-Partner und ich das Unternehmen cleverly Ende 2020, seit Mai 2021 sind wir online. Uns wurde schon früh klar, dass wir außerhalb des existierenden Bildungsapparates, also unabhängig davon, etwas aufbauen möchten. Wir wollten die Kinder über eine App erreichen und zudem Live-Unterricht anbieten, auch weil das am ehesten individuell ist. So können wir tatsächlich Kinder unterstützen. Natürlich haben wir vor der Gründung auch andere Online-Nachhilfeangebote getestet. Schnell wurde dabei deutlich, dass beispielsweise Mathe nur oberflächlich behandelt und gefördert wird. Oft liegen die Probleme aber auch woanders: Es fehlt an Selbstbewusstsein oder der Schüler hat Prüfungsangst – all das zahlt ja auf die Mathenote ein.  

Was habt ihr daraus gelernt?

Dass wir den Schülern unbedingt hervorragende Nachhilfelehrer zur Seite stellen müssen, die ganzheitlich orientiert sind – also erstmal das Kind richtig kennenlernen und versuchen zu verstehen, wo das Problem ist. Zudem müssen wir auch Ansprechpartner für die Eltern sein. 

Eltern sind Eltern, nicht Lehrer

Der Erstkontakt erfolgt ja auch durch die Eltern, oder? 

Na klar, Papa oder Mama rufen an und suchen Hilfe für das Kind, meist in Mathe.  Im Erstgespräch erfahren dann unsere MentorInnen von Themen, die den Eltern gar nicht bewusst sind. Sie und ihre Kinder ahnen oft gar nicht, dass da etwas im Argen liegen könnte. Gleichzeitig soll der Mathe-Stoff gut beigebracht werden. Dieser ganzheitliche Ansatz hat für uns eine echte Magie. Das haben wir auch in der Pandemie-Zeit gemerkt: Lernstress kommt mit den Kindern nach Hause, ist plötzlich auf dem Tisch der Eltern, die weder die Zeit noch das Wissen haben, Verständnis für das jeweilige Problem zu empfinden. Das können sie auch gar nicht. Sie sind keine guten Lehrer, sondern eben die Eltern. Und da unterstützen unsere MentorInnen. Wir sind also angetreten mit der Formel: klassische Nachhilfe kombiniert mit Mentoring. 

Welchen Hintergrund haben eigentlich die Tutoren und Mentoren?

Die Nachhilfelehrer – bei uns heißen sie TutorInnen – durchlaufen einen vierstufigen Auswahlprozess, bevor sie bei cleverly unterrichten dürfen. Nur etwa zehn Prozent der Bewerber erfüllen die von uns aufgestellten Kriterien. Alle weisen außerdem ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vor Antritt ihrer Tätigkeit vor. Unsere MentorInnen sind ausgebildete Pädagogen, festangestellt und müssen ebenfalls ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis nachweisen.

Warum die Festanstellung der MentorInnen? Was ist der Vorteil?

Im klassischen Nachhilfemarkt sind es oft Aushilfslehrer, Pensionäre, Lehramtsstudenten oder Oberstufenschüler, die neben dem Hauptjob einige Stunden in der Woche Nachhilfe geben und von den Anbietern vermittelt werden. Unsere  MentorInnen arbeiten fest angestellt in Vollzeit. Sie haben eine unheimlich breite Palette an Themen abzudecken. Das sind sehr unterschiedliche Persönlichkeiten und die sitzen bei uns in der Firma, weil der Austausch und die Weitergabe von Erfahrungen unglaublich wichtig sind. Unsere MentorInnen müssen auf alle Fragen ganzheitlich eingehen können. So können sie natürlich auch das Verhältnis der Eltern zum Kind im Blick haben. 

Wir arbeitet ihr denn mit der Schule und Lehrern zusammen?

Bisher haben wir nur indirekt von Lehrern erfahren, dass sie froh sind, wenn das von uns unterstützte Kind plötzlich so viel mehr Selbstbewusstsein oder Motivation in der Schule zeigt. Viele Lehrer versuchen ja, auch in Einzelgesprächen ähnlich zu agieren, aber ihnen fehlt natürlich die Zeit, in einer Klasse von  28 Schülern jedem einzelnen ein individuelles, positives Feedback zu geben.

Wie weit geht denn dann die psychologische Betreuung?

Da wo Kinder- und Jugendpsychologie anfängt, hören wir auf. Die Kompetenz unserer Pädagogen umfasst Themen wie Prüfungsangst, fehlendes Selbstbewusstsein, aber auch Legasthenie. Die können sie erkennen, als Mentoren die Eltern unterstützen und ihnen raten, gegebenenfalls einen Psychologen zu konsultieren. Es zeigt sich immer wieder, dass es dem Verhältnis zwischen Eltern und Kind guttut, wenn der Mentor z. B. einmal sagt, welche tollen Leistungen das Kind in der Schule erbringt, obwohl es zu früh eingeschult wurde. Erst dadurch wird den Eltern die realistische Einordnung der Leistung des Kindes klar. 

Motivation ist etwas ganz Wesentliches

Ihr wollt also auch Motivation vermitteln?

Auf jeden Fall. Motivation ist etwas ganz Wesentliches – denn die lässt sich fördern. Wir schauen natürlich sehr genau, welcher Lehrer zu dem Kind und seiner Förderung passen kann. Wir können in einem Fach also das Fachwissen fördern, aber auch die Persönlichkeit. Unsere These ist: Wenn das Problem ein viel tieferliegendes ist als nur der Lernstand, dann können wir das – quasi durch die Hintertür – mit der Familie thematisieren. Wir wollen niemanden verschrecken oder ein Problem kleinreden. Aber wenn unsere MentorInnen merken, dass es eben nicht nur um Schulthemen geht, sondern eher um freies Sprechen, Ernährungsprobleme oder den Umgang mit Finanzen, bringen wir das ein. Es geht also auch um Inspiration. 

Und wenn es nur schlicht um die Verbesserung der Note geht?

Natürlich analysieren wir auch, welcher Lehrer bei Mathe in der Oberstufe dem Jugendlichen wirklich helfen kann. In längeren Gesprächen mit den Eltern und dem Kind versuchen wir herauszufinden, ob vielleicht ein Lehrer nicht nur aus Fachgründen zum Schüler passt, der etwa gerne Hip-Hop hört. Haben wir einen Nachhilfelehrer im Team, dessen Leidenschaft ebenfalls diese Musikrichtung ist, bringen wir sie zusammen – auch wenn das mit Mathe erstmal nichts zu tun hat. Doch das Ergebnis ist, dass sich am Ende die Kids auch deshalb richtig gut entwickeln. 

Ihr seid ja ein Newcomer am Markt. Wie ist denn die Resonanz bisher?

Viele Eltern kommen derzeit erstmal wegen der Verbesserung der Noten zu uns. Meist ist der Druck groß oder es liegt eine Versetzungsangst vor – auch gerade wegen der verpassten Schulzeit in der Pandemie. 

Mentoring wird sehr gut angenommen

Es freut uns aber zu sehen, dass auch das Mentoring, sobald wir es den Eltern vorstellen, sehr gut angenommen wird. Und zwar so sehr, dass wir immer häufiger das Feedback, wir sollen aufhören, das ganze Nachhilfe zu nennen – denn es sei so viel mehr. Das freut uns natürlich!  

Was kostet cleverly?

Wir starten immer mit einer kostenlosen Probestunde, sowohl im Mentoring als auch in der klassischen Nachhilfe. Sind die Eltern dann zufrieden, können sie cleverly entweder für ein halbes Schuljahr nutzen – also 6 Monate lang – oder Einzelstunden buchen. Je nachdem, wie viele Stunden man nimmt, kosten die Stunden im Sechsmonatspaket zwischen 17,50 Euro und 27,- Euro. Wenn man lieber Einzelstunden buchen möchte, kosten diese 29,90 Euro pro Stunde. Die Stunden sind dabei flexibel einsetzbar – für Mentoring, Nachhilfe in allen Fächern und sogar übertragbar auf Geschwisterkinder. 

Das ist im oberen Preisgefüge.

Unsere individuelle Nachhilfe funktioniert immer „One-on-One“, Gruppenunterricht gibt es nicht. Wir orientieren uns an einem Förderzeitraum von einem halben Schuljahr, denn es macht Sinn, vor allem in Fächern wie Mathe so lange dranzubleiben. Wenn ein Kind mit einer Nachhilfestunde pro Woche einstiegt, also über vier Monate, dann kommst du auf 25 Euro pro Nachhilfestunde – und damit sind wir oberes Mittelfeld.

Welche Fächer zur Nachhilfe bietet ihr an? 

Wir haben über 26 Schulfächer, also alle an Schulen üblichen, im Angebot, von der 1. bis zur 13. Klasse. Darüber hinaus kommen auch Jugendliche zu uns, die eine Ausbildung oder ein Studium beginnen wollen. Unser Schwerpunkt liegt ab der 7. Klasse aufwärts. Wir betreuen aber überraschend viele Grundschüler. Viele Eltern sehen also schon sehr früh, dass ihr Kind nicht mitkommt oder nicht genug gefördert wird. 

Nun kann sich ja nicht jede Familie relativ teure Nachhilfe leisten. Was bietet ihr an preisgünstigen Angeboten?

Unsere MentorInnen und TutorInnen sollen wirklich top sein. Und deswegen müssen und wollen wir sie gut bezahlen. Insofern kann cleverly nicht – wie andere – für acht Euro die Stunde an den Markt gehen. Auch weil wir keinen Massenunterricht mit 12 oder 15 Schülern anbieten. Insbesondere online funktioniert das nicht. Aber: Es gibt Bildungs- und Teilhabegutscheine, die auf Länderebene beantragt werden müssen. Wenn also Förderbedarf besteht, kann die Schule über diese Töpfe Nachhilfe tatsächlich finanziert bekommen. Wir haben bereits die ersten 34 Fälle, die derzeit bearbeitet werden. 

(Die Vision ist auch, dass es ein Fördersystem wie Bafög geben könnte. Denn Bildung kostet nun mal und es ist eigentlich Aufgabe des Staates, Familien, die sich das nicht leisten können, auch bei Nachhilfe zu unterstützen.)

Fredrik hat hier auch über die 5 Dinge geschrieben die er verändern würde als Minister