Linkshänder sein: Schule? Mach ich mit links!

Noch immer sind viele Eltern erschrocken, wenn sie feststellen, dass ihr Kind Linkshänder ist. Auch unsere Autorin fragte sich, ob ihr Kind Schwierigkeiten in der Schule bekommen würde. Doch eine Expertin konnte sie zum Glück beruhigen.

Mit ein paar Tipps lassen sich die Herausforderungen für Linkshänder prima meistern. Foto: Getty Images

„Der nimmt den Löffel schon wieder in die linke Hand“, kommentierte meine Mutter, als mein Sohn gerade 18 Monate alt war. „Der wird Linkshänder, wie dein Vater!“ – „Er nimmt den Löffel genauso oft in die rechte Hand!“, polterte ich zurück – und war eingeschnappt. Zum einen, weil ich mich verteidigen wollte: Wenn mein Sohn Linkshänder wäre, hätte ich das ja wohl als Erste bemerkt! Vor allem aber, weil ich das einfach nicht für ihn wollte. Linkshänder sind doch immer benachteiligt, oder? Beim Schreiben, beim Lernen, beim Sport – im ganzen Leben. Mein Kind sollte nicht benachteiligt sein.

Unsere Expertin

Andrea Hayek

ist Tochter einer umgeschulten Linkshänderin, Ehefrau eines Linkshänders und Mutter von drei linkshändigen Töchtern. Ihre eigene Linkshändigkeit erkannte sie im Alter von 40 Jahren: „Mein ganzes Körpergefühl hat sich seitdem verbessert.“ Heute arbeitet sie als Linkshänderberaterin sowie Handschrift – und Feinmotoriktrainerin.

Mehr Infos unter www.linkshaender-beratung.at

Linkshändigkeit hat immer noch ein schlechtes Image

Mit diesem Klischeedenken bin ich nicht allein: Linkshändigkeit gilt manchen Menschen noch immer als Makel. Etwas, das von der Norm abweicht und einem das Leben schwerer macht – vor allem die Schulzeit. Das möchte Andrea Hayek-Schwarz ändern. Die dreifache Mutter ist Handschrifttrainerin und Linkshänderberaterin. Sie arbeitet seit Jahren daran, der Linkshändigkeit ihr schlechtes Image zu nehmen. Das geht schon beim Sprachgebrauch los: Andrea Hayek-Schwarz hat den Begriff „linkshändige Begabung“ geprägt. „Rechtshändigkeit ist natürlich auch eine Begabung“, erläutert die Expertin, aber: „Die linkshändige Begabung braucht diesen positiven Verstärker dringender als die rechte.“

Der Anteil der Linkshänder nimmt zu

Mehrere Studien belegen, dass im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte immer mehr Menschen die linke Hand gegenüber der rechten bevorzugen. Die wohl wichtigste Erklärung dafür: Linkshändige Kinder werden heute in der Schule kaum mehr dazu gezwungen, mit der rechten Hand zu schreiben – die Umschulung der Schreibhand ist aus der Mode gekommen. Zum Glück, sagt Andrea Hayek-Schwarz: „Der größte Nachteil für ein linkshändig begabtes Kind entsteht, wenn es seine Linkshändigkeit nicht ausleben darf“, so die Expertin. Denn wer nicht mit der „starken“ Hand schreiben dürfe, schreibe entweder weniger schön oder einfach langsamer: „Beides fällt im Schulalltag negativ auf.“ Doch die Chancenungleichheit geht bei einer verdrängten Linkshändigkeit laut Expertin viel weiter: „Sämtliche Lernprozesse kosten mehr Kraft, die ganze Leistungsfähigkeit wird geschmälert. So entstehen Nachteile fürs ganze Leben – und oft auch ein vermeidbarer Schaden für die Psyche.“

Damit linkshändig begabte Kinder ihre Linkshändigkeit in der Schule ausleben können, ist ein Gespräch mit den Lehrkräften unumgänglich: „Sprechen Sie das Thema proaktiv an“, empfiehlt Andrea Hayek-Schwarz, „denn es geht nicht nur darum, Ihrem Kind die richtige Linkshänder-Ausstattung mitzugeben. Es sind viele Kleinigkeiten im Schulalltag, die mithelfen, eine Chancengerechtigkeit herzustellen.“

Schulstart für Linkshänder: Worauf müssen Eltern achten?

Das geht schon bei der Sitzordnung los: Ein linkshändig begabtes und ein rechtshändig begabtes Kind können nur dann ungestört an einem Zweiertisch zusammensitzen, wenn das linkshändige Kind links und das rechtshändige Kind rechts sitzt – sonst kommen sich die beiden beim Schreiben in die Quere. Die Expertin empfiehlt außerdem eine schräge Ausrichtung des Papiers beim Schreiben: „Die meisten linkshändig begabten Kinder verdrehen beim Schreiben das Handgelenk, um das Geschriebene nicht zu verwischen. Diese geknickte Handhaltung ist sehr anstrengend, der ganze Körper wird dabei verschoben.“ Viel gesünder ist es, einfach das Blatt nach rechts zu kippen. Die Schreibhand bleibt dadurch unterhalb der Zeile. Leider aber, so die Expertin, gebe es immer noch Lehrerinnen und Lehrer, die auf eine akkurate 90-Grad-Ausrichtung des Papiers bestehen: „Auch deshalb ist es so wichtig, vorab mit den Lehrkräften zu reden.“

Viele weitere Materialien können linkshändigen Schülerinnen und Schülern den Schulalltag erleichtern. Zum Beispiel bei Schreibübungen: „Das linkshändige Kind verdeckt das vorgeschriebene Wort mit der Schreibhand. Es muss immer wieder die Hand heben, um abzuschreiben, deshalb braucht es länger“, so Andrea Hayek-Schwarz. Einen freien Blick erhält das Kind, wenn Buchstaben und Zahlen nicht am linken, sondern am rechten Zeilenrand vorgeschrieben sind. Einige Verlage bieten bereits entsprechende Übungshefte mit der Vorlage auf beiden Zeilenenden an. 

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Ist mein Kind linkshändig begabt?

Die Händigkeit ist Veranlagung: Schon im Mutterleib ist entschieden, ob ein Kind Rechts- oder Linkshänder ist. Deshalb sollte das Bewusstsein dafür auch nicht erst mit Eintritt in die Schule geschärft werden: „Wenn ein Kind zur Welt kommt, muss einfach in den Kopf der Eltern rein: Dieses Kind kann beides sein, Rechts- oder Linkshänder. Die meisten Eltern jedoch geben ihrem Kind Spielsachen zum Greifen automatisch in die rechte Hand. Oder legen den Löffel auf die rechte Seite des Tellers. Natürlich greift das Kind dann mit der rechten Hand danach.“ Besser: dem Kind beide Optionen anbieten und ihm deutlich machen, dass jede Handlung mit beiden Händen ausgeführt werden kann. „Legen Sie den Löffel mittig auf den Teller – und beobachten Sie, mit welcher Hand Ihr Kind danach greift, wenn es die freie Wahl hat.“

Und wenn ich unsicher bin, ob mein Kind linkshändig oder rechtshändig begabt ist? „Testen Sie es“, empfiehlt Andrea Hayek-Schwarz. Anleitungen für Selbsttests findet man zwar im Internet, doch davon rät sie ab. „Am sichersten ist die Beurteilung durch Linkshänderberater“, so die Expertin, „und das spätestens im letzten Kita-Jahr – also rechtzeitig vor der Einschulung.“

Ein Wechsel der Schreibhand ist aber auch danach noch möglich und sinnvoll, wenn eine Linkshändigkeit zuvor unentdeckt geblieben ist. Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn man feststelle, dass die Schreibleistung des Kindes nicht zu den restlichen Leistungen passe, erläutert die Expertin.

Bei meinem Sohn wurde jeder Test überflüssig: Er ist mittlerweile sechs Jahre alt und malt, isst, schreibt, bastelt und kickt den Fußball mit links. Dieses Jahr kommt er in die erste Klasse. Und nach meinem Interview mit Andrea Hayek-Schwarz weiß ich, was in seiner Schultüte auf keinen Fall fehlen darf.

Linkshänder-Produkte für Schulkinder:

Spezielle Stifte sind zwar beliebt, doch laut Expertin Hayek-Schwarz kein Muss. Wichtiger in der Schultüte sind ihr zufolge diese beiden Dinge:

Linkshänder-Schere

„Mit einer normalen Schere schneidet das Kind immer 1,5 Millimeter neben der Linie, da die Klinge die Sicht verdeckt. Achtung: Im Handel findet man auch Scheren, die angeblich für beide Hände geeignet sind. Finger weg davon: So etwas gibt es nicht!“

Linkshänder-Anspitzer

„Er ist spiegelverkehrt aufgebaut und ermöglicht dem Kind dadurch die einfachere Drehbewegung nach außen mit der starken Hand.“

Infos zu weiteren Linkshänder-Schulprodukten und viele hilfreiche Tipps zum Thema „Schule mit links“ stehen auf www.linkehand.at

Portrait Silke Schröckert
Silke Schröckert

Unsere Autorin

Silke Schröckert

Silke Schröckert wollte Journalistin werden, seit sie im Alter von acht Jahren das erste Mal Lois Lane in „Superman“ gesehen hatte. Mit 23 wurde sie Chefredakteurin eines Kinderzeitschriftenverlages.

Heute ist Silke spezialisiert auf Familienthemen und textet für Kinder- und Comic-Magazine. Das freut vor allem Sohn Tom und Tochter Mina. Auf ihrer eigenen Seite schreibt sie für die Generation Großeltern. Bei leben-und-erziehen.de nimmt sie sich aktuellen Themen aus Sicht einer Zweifach-Mama an.