Plötzlich hat das Kind Freunde, mit denen es früher nie etwas unternommen hätte. Außerdem schließt es sich manchmal tageweise in seinem Zimmer ein und hört seltsame Musik. Und kein vernünftiges Wort ist mehr aus dem Kind herauszubringen. Das ist ein klarer Fall von: PUBERTÄT. Herzlich willkommen in der wohl actionreichsten Zeit mit dem Nachwuchs.
Diese Phase ist eine sprichwörtliche Berg-und-Tal-Fahrt: Sie erwischen Ihre Tochter beim Rauchen, und die Noten der einstigen Musterschülerin gehen in den Keller. Was ist nur los?
Vom Kind zum Erwachsenen
Während der Pubertät entwickelt sich nicht nur der Körper, sondern auch das Gehirn des heranwachsenden Kindes. Diese Veränderungen führen dazu, dass sich Teenies manchmal seltsam verhalten. In der Regel dauert diese Phase bis zum 16. Lebensjahr an, bis zur völligen geistigen Reife noch ein paar Jahre länger.
Während man vor einiger Zeit noch dachte, das menschliche Gehirn sei bereits bei einem sechsjährigen Kind weitestgehend ausgereift, weiß man heute, dass dieser Prozess erst viel später abgeschlossen ist. Der amerikanische Psychiater Jay Giedd fand unter anderem heraus, dass innerhalb der Pubertät neue Verbindungen zwischen Nervenzellen entstehen und andere dafür wieder verschwinden.
Hilfe, dreht mein Kind jetzt durch?
Im ersten Moment wirkt es zwar oft so, als würden die körperlichen und hormonellen Veränderungen Jugendliche aus der Bahn werfen, eine viel größere Rolle als verstärktes Wachstum, Stimmbruch und Pickel spielt jedoch das Gehirn. Seine Reifungsphase kann durchaus auch mal zu Wutausbrüchen, schlechteren (oder manchmal sogar besseren) Noten als gewöhnlich und verändertem Verhalten führen.
Ab dem neunten Lebensjahr kann die Pubertät einsetzen. Der emotionale Teil des Gehirns erfährt nun einen kompletten Umbau. Erst kommen Nervenzellen hinzu, dann wird das Oberstübchen wieder kleiner. Das passiert, damit das Gehirn schneller funktioniert. Im Umkehrschluss führt das dazu, dass Emotionen zunächst einmal ausgeprägter empfunden werden als bisher. Die einströmenden Geschlechtshormone tun ihr Übriges.
Die Pubertät stellt auch die Eltern auf die Probe
Was spannend klingt, ist es auch: Jungen und Mädchen brechen zu neuen Abenteuern auf, lernen neue Freunde kennen, erforschen ihre Sexualität und testen ihre Grenzen aus. Vernünftige Entscheidungen sind dabei nicht an der Tagesordnung. Dafür sind andere Nervenbahnen im Gehirn verantwortlich, die noch nicht stark genug miteinander verbunden sind.
Erwachsenwerden kann zuweilen ganz schön schwer sein. Das wissen viele Eltern auch noch aus ihrer eigenen Jugendzeit. Wichtig ist es, den eigenen Kindern nun so viel Verständnis wie möglich entgegenzubringen. Immerhin können Jungs und Mädchen während der Pubertät mitunter auch ganz schön kreativ sein: Angst davor, Neues zu probieren, haben sie nämlich nicht.
Dass gerade in diesem Alter die Weichen für die Zukunft gestellt werden, kann zu einer Hürde für Sohn oder Tochter werden. Zwischen erstem Mal und Abiturprüfung, Party und Hausaufgaben sind die Gräben tief. Hier sollten Sie klare Grenzen setzen, aber dem Kind trotzdem nicht die Möglichkeit nehmen, sich zu entfalten. Das klingt nach einer Gratwanderung? Ist es auch. Aber: Irgendwie haben wir es schließlich alle geschafft, groß zu werden.
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Limbisches System und Geschlechtsreife
Weil das limbische System, das für die Emotionen verantwortlich ist, schneller reift als der vordere Teil des Gehirns, haben Gefühle zunächst die Oberhand. Dadurch verhalten sich Mädchen und Jungen pubertär: Risikoreiche Entscheidungen werden getroffen, die eigene Sexualität wird entdeckt, und es kommt zum Gefühlschaos. Erst mit der vollständigen Geschlechtsreife, die um das 14. bis 19. Lebensjahr herum einsetzt, werden die Jugendlichen langsam vernünftiger. Erst wenn das Mädchen zur Frau und der Junge zum Mann wird, legt sich der Sturm der Emotionen langsam wieder. Dann ist auch das Vorderhirn ausgereift.
Die voneinander getrennten Reifungsprozesse im Gehirn sind also dafür verantwortlich, dass Kinder in der Schule nicht mehr aufpassen, sich irrational verhalten und es zeitweise sogar zu seelischen Leiden oder Drogenmissbrauch kommen kann. Bei psychischen Problemen, die auf Depressionen oder Impulskontrollstörungen hindeuten, sollte man als Eltern wachsam sein: Zwar werden nicht alle, die während der Pubertät unter derartigen Schwierigkeiten leiden, wirklich psychisch krank. Das ist meist „nur eine Phase“, sie kann aber auch nachhaltig prägen.
Kontakt mit Drogen und Alkohol in der Pubertät
Besondere Vorsicht ist im Umgang mit Suchtmitteln geboten. Da die Hemmschwelle während der Adoleszenz niedrig ist, greifen Jugendliche schnell zu Alkohol und illegalen Drogen. Besonders wenn noch Gruppenzwang im Freundeskreis oder in der Schule hinzukommt. Cannabisprodukte und Alkohol können bei Teenies zu größeren Schädigungen führen als bei Erwachsenen, gerade weil sich das Gehirn noch in der Entwicklungsphase befindet.
Die „Kinderärzte im Netz“ nennen positive Schilderungen von Freunden, die Nachahmung von Älteren und Vererbung als Grund dafür, warum junge Menschen Drogen ausprobieren. Kinder aus suchtbelasteten Familien sind besonders gefährdet, ebenfalls süchtig zu werden. Als Elternteil sollten Sie sich Ihrer Vorbildfunktion besonders bewusst sein. Sieht es ein Kind als normal an, dass jeden Tag Alkohol konsumiert wird, greift es schneller zur Flasche, als wenn es regelmäßig in angemessenem Umfang auf die Gefahren hingewiesen wird.
Schützen, aber nicht überbehüten
Es wird sich vermutlich nicht ganz vermeiden lassen, dass Jugendliche in ihren Peergroups mit Alkohol (und vielleicht auch mit anderen Rauschmitteln) in Berührung kommen. Machen Sie sich bitte nicht zu viele Sorgen deswegen. Zu viel Fürsorge kann schnell ins Gegenteil umschlagen. Engen Sie Ihr Kind nicht ein, sondern versuchen Sie, Vertrauen zu schaffen und ihm das Gefühl zu geben, jederzeit da zu sein, um Fragen zu beantworten. Wichtig ist es deshalb auch, dass man als Eltern gut informiert ist.
Das gilt selbstverständlich nicht nur für den Umgang mit Drogen. In der Pubertät verändert sich schließlich nicht nur die Persönlichkeit, sondern auch der Körper des Kindes. Eingeleitet wird diese Phase des Lebens mit dem Beginn der Produktion von Sexualhormonen – bei Mädchen mit elf, bei Jungs mit etwa zwölf bis 13 Jahren. Bei Mädchen tritt die erste Menstruation auf, Jungen haben ihren ersten Samenerguss.
Hormone in der Pubertät sorgen für Veränderung
Diese gravierenden Veränderungen können Jugendliche mitunter ganz schön durcheinanderbringen und zusätzlich für schlechte Laune, Stimmungsschwankungen und Schüchternheit sorgen. Das hängt ganz vom Temperament ab.
Gerade wenn es um das Thema Sexualität geht, sollte man so behutsam wie möglich mit dem Kind umgehen. Wenn es anfängt, sich auszuprobieren, und den ersten Freund oder die erste Freundin mit nach Hause bringt, sollte es auf Vertrauen stoßen. Am besten begleiten Sie Ihr Kind so rücksichtsvoll wie möglich durch die Pubertät. Bieten Sie Hilfestellungen an, wenn sie nötig sind, und bleiben Sie im Gespräch. Falls es zu Auseinandersetzungen kommen sollte: Bleiben Sie möglichst cool.
Autorin: Anne Reis