Bewegung für Kinder ist wichtig, auch im Schulalltag

Der Schulalltag belastet viele Kinder schon enorm – durch Corona hat das alles in der Grundschule extrem zugenommen. Die Jüngsten brauchen noch mehr Bewegung, müssen aber auch entspannt und entstresst werden. In der Grundschule Petrikirchhof in Stendal klappt das sehr gut.

Lernen, Spaß und Fitness: Bewegung und Abwechslung sind für Kinder auch im Schulalltag extrem wichtig. Foto: Getty Images

Trotz Corona-Stress: Die drei Lehrerinnen aus Stendal haben gute Laune – sind fit beim Interview per Videokonferenz. Besonders mental. Wen wundert’s – die beiden Sportlehrerinnen von der Petrikirchhof-Grundschule und Schulleiterin Ines Albrecht setzen täglich die Präventionsinitiative „fit4future“ gegen Bewegungsmangel und Stressreduktion um. Die wissen wie es geht, denkt man willkürlich.

Seit vielen Jahren setzen Lehrkräfte wie Simone Lucke und Simone Schönburg Gesundheitsförderung als Schulkonzept durch: Bewegung, gesunde Ernährung und Ruhe sowie Entspannung im Schulalltag sind seitdem Schwerpunkte. Da kam ihnen vor drei Jahren die Ausschreibung von „fit4future“ gerade recht: „Wir suchten neues Material für Pausengestaltung, Anregungen für Sportunterricht, und wir wollten Neues bei Projekten mit Elternarbeit wieder anwenden – denn steter Tropfen höhlt den Stein“, erzählt Simone Lucke. Das sei jetzt durch Corona besonders wichtig, weil viele Kinder – schon enorm belastet – noch mehr entspannt und entstresst werden müssten.

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Das „fit4future“-Programm begeistert an vielen Schulen

Mehr Bewegung, ausgewogene Ernährung, eine stressfreie, positive Lernatmosphäre und die Schaffung einer gesunden Lebenswelt Schule: das sind die vier großen Ziele der bundesweiten Präventionsinitiative „fit4future“, initiiert von der „fit4future foundation“ und der DAK-Gesundheit. Von der wissenschaftlich entwickelten und fortlaufend evaluierten Initiative profitieren Kinder und Jugendliche im Alter von drei bis 19 Jahren – in drei eigenständigen Programmen. Seit 2016 können Kinder von Grund- und Förderschulen teilnehmen, mit dem Schuljahr 2019/20 startete das Programm für 15- bis 19-Jährige und seit 2020 gibt es das Programm für 3- bis 6-Jährige Kita-Kinder. Bislang konnten mehr als 1,2 Millionen Kinder und Jugendliche an mehr als 3.100 Einrichtungen von den Inhalten profitieren. Bei „fit4future Kids“, dem „ältesten“ Projekt, begeistern sich seit 2016 mehr als eine Million Kinder an 2.000 Grund- und Förderschulen an den Inhalten.

Und die werden in speziellen Workshops von Coaches vermittelt und den umsetzenden Lehr- und pädagogischen Fachkräften gezeigt. Beate Morawietz hat als Area Managerin und Ansprechpartnerin für Schulen schon über 100 Coachings bundesweit durchgeführt. „Unsere Inhalte werden dabei den Pädagogen auch durch haptische Materialien vermittelt, z.B. mit Spiel- und Sportgeräten aus Spieltonne und Brainfitness-Box, Broschüren oder Aktionskarten – sowie in Form digitaler Inhalte, die auf unseren Websites im Mitgliederbereich bzw. in den Blogs zu finden sind“. Aufgrund der Schulschließungen im Frühjahr 2020 wurde das Angebot an digitalen Inhalten noch einmal spontan stark vergrößert, um wirklich der gesamten „fit4future“-Familie Zugang zu den gesundheitsrelevanten Themen zu bieten – auch zu Hause. Aktuell gibt es insgesamt rund 400 digitale Inhalte (Video, Podcast, Hörgeschichten) für Kita, Kids und Teens.

Mehrwert aus der Tonne: Mit den 20 pädagogisch wertvollen und TÜV-zertifizierten Spiel- und Sportgeräten aus der fit4future Spieltonne wird u.a. Koordination trainiert.

Bewegung fördert Konzentration

Was genau passiert nun im Unterricht? Simone Lucke berichtet: „Workshops bei fit4future erinnern uns an Möglichkeiten, die im Rahmen der gesunden Schule angedacht worden sind. So baue ich in einer anstrengenden Deutschstunde auch mal eine Entspannungseinheit ein – das hilft gegen Zappeligkeit und erhöht die Konzentrationsfähigkeit“. Mit einer kurzen Augenübung werden beide Gehirnhälften trainiert; Springen auf einem Bein oder Bewegungsmemory helfen ebenfalls dabei, den Kopf frei zu kriegen. „Brainfitness nennt sich das“. Ihre Kollegin Schönburg ergänzt: „Gut entspannen können die Kinder nach der Pause auch mit der Übung, den Kopf auf die Arme zu legen“.

Schwerpunkt in Stendal ist seit Jahren auch die Anleitung zu gesunder Ernährung. „Einmal im Monat organisieren wir auch jetzt ein gemeinsames Essen. In der Gruppe lernen Kinder Körnerbrot, Gemüse, Obst kennen, auch eben mal Vollkornprodukte, die es zuhause nicht gibt. Wir nehmen am Schulobstprogramm der EU teil – alles um anderes mal auszuprobieren und schmecken zu lernen“, erzählt Lehrerin Lucke. Gesunderhaltung sei das oberstes Ziel; zusätzlich rücken achtsamer Umgang miteinander in den Fokus, das Selbstbewusstsein und soziales Miteinander sollen gefördert werden.

Gesundes Frühstück: Einmal im Monat bringen die Kinder der Klasse 4b alles mit, was zu einer gesunden Ernährung gehört. Gemeinsam genießen sie ein ausgewogen leckeres Frühstück.

Nicht nur in Stendal hat das positive Auswirkungen. Eine Studie der TU München hat nach den ersten drei Projektjahren an Teilnehmerschulen positive Effekte durch die Umsetzung des Programms mit den Kindern im Bereich der sportmotorischen Fitness und auch des Gesundheitsverhaltens beobachtet.

Einige Details: So ging der regelmäßige Verzehr von Süßigkeiten ebenso zurück wie der Konsum von zuckerhaltigen Getränken. Während zu Beginn der zweiten Klasse über ein Viertel (28,1 Prozent) der Kinder angab, täglich Süßigkeiten zu essen, waren es am Ende der vierten Klasse nur noch 17,6 Prozent. Der tägliche Konsum von zuckerhaltigen Getränken ging um fast sechs Prozent zurück.

Fortschritte im Bereich der körperlichen Fitness und der Koordination: Die Kinder bewegten sich im Schnitt fast doppelt so viel im Alltag wie vor der Teilnahme am Präventionsprogramm: Waren zu Beginn des Programms 11,6 Prozent der Kinder täglich mehr als eine Stunde körperlich aktiv, waren es am Ende der zweiten Klasse 20,7 Prozent.

Positiv sind auch die Resultate im Bereich Stressbewältigung und Sozialkompetenz: Signifikant mehr Schüler als zu Beginn des Programms gaben an, keinen Streit mit Mitschülern zu haben oder von ihnen geärgert worden zu sein. Dies lässt sich vermutlich auf die verbesserten und regelmäßigen Spiel- und Bewegungsangebote, die durch das Präventionsangebot geschaffen wurden, zurückführen.

Entspannt in Balance: Bei den Schülern beliebt sind Relax-Massagen mit dem Igelball oder Gleichgewichtsübungen mit dem „Moby“ aus der fit4future-Spieltonne.

Mediennutzung von Kindern

Nachholbedarf gab es damals vor allem bei der Mediennutzung: Die Zeit, die Kinder und Jugendliche vor Computer, Smartphone und anderen digitalen Geräten verbringen, sei deutlich zu hoch und steigt im Verlauf der Jahre sogar noch an, so Forscher der TU München. „Aus diesem Grund hatten wir – lernendes Projekt – das Thema Medienkonsum neu in den Fokus unserer Inhalte gerückt, mit passenden Lerninhalten für die Kinder und Seminarreihen für die Pädagogen“ kommentiert Coachfrau Morawietz. Natürlich läuft nicht alles nur rund. Die Themen der Verhältnisprävention, also einer „gesunden Schule“ mit gesunden Pädagogen, werden eher langfristig umgesetzt. Da braucht es einen langen Atem und das Kollegium und die Schulleitung müssen an einem Strang ziehen. Hier wirken jedoch Zeitdruck (Lehrplan, Inklusion, Eltern-/Erziehungsarbeit etc.) und Personalmangel und somit erfordere es von den Multiplikatoren großes Engagement, um die Dinge „ins Rollen“ zu bringen.

Wie lässt sich das Bewegungsdefizit durch die Corona-Maßnahmen im Unterricht auffangen?

1. Bewegungs- und Brainfitness-Pausen: zwischen zwei Schulstunden einbauen – aus dem fit4future-Youtube-Kanal

2. Entspannungsübungen: schon bei den Kleinen reduzieren sie Stress und Nervösität

3. Aktive Vertretungsstunden: Kinder draußen in Bewegung bringen mit Ballspielen, Koordinationsleiter-Übungen etc.

4. Rituale: Frühsport mit den Kindern zum Start in den Tag

5. Projekttage oder AGs: gemeinsam mit den Kindern Ideen entwickeln, wie Bewegung im Schulalltag integriert werden kann

JETZT FIT4FUTURE-SCHULE WERDEN!
Ab sofort können sich Grund- und weiterführende Schulen für den Projektstart ab Herbst 2022 anmelden.

Alle Informationen und Anmeldung unter fit-4-future.de

Bewegung und Entwicklung von Kindern hängen unmittelbar zusammen

Trotzdem: Kinder brauchen insbesondere Bewegung, sie ist extrem wichtig für eine gesunde körperliche, geistige und psychische Entwicklung. Es muss ausreichend Zeit, Raum und Gelegenheiten für die Kinder geben, sich zu bewegen. Alternativen zum langen Stillsitzen: Lerninseln, Stationenlernen, Laufdiktate, Stehpulte, Sitzbälle, spezielle Hocker.

Und im Hinblick auf die Entwicklung der Grundschulen zu Ganztagsschulen ist eine Rhythmisierung des Schulalltages wichtig: Spiel, kreatives Tun und Bewegung sollten einen höheren Stellenwert in der Grundschule erfahren – auch zur Förderung der sozialen Kompetenzen, der Ausbildung von Empathie und emotionaler Intelligenz. Das alles sind Fähigkeiten, die die Kinder im späteren Berufsleben brauchen. Und die Schulen müssen eben auch in Sachen Gesundheit modernisiert werden, z.B. beim Thema Ergonomie: rückengerechtes Mobiliar, nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Erwachsenen; auch ergonomische Arbeitsplätze für die Pädagogen sind wichtig.

Oder bei der Lautstärke: Dämmung, Schallschutzmaßnahmen, Lärmampel. Es braucht einfach mehr Platz und Raum für die Kinder, um einen idealen Lebensort Schule für Bewegung, Entspannung und kreatives Tun zu schaffen. So wie es in Stendal schon ganz gut gelungen ist. Trotz oder gerade wegen Corona.

Das können die Familien in der Freizeit zur Unterstützung tun

1. Gemeinsam aktiv sein: Rausgehen in den Park oder auf den Spielplatz, Garten, Schwimmbad, Ausflüge zu Fuß oder mit dem Rad, Kinder im Sportverein anmelden, Projekte und Angebote der Sportvereine nutzen (Feriensport-Camps oder Angebote von Kultureinrichtungen etc.)

2. Bei schlechtem Wetter digitale Bewegungs-Angebote nutzen wie von fit4future auf Youtube: Bewegungspausen, Sportstunden,Tanz, Yoga, aber auch Bastelvideos und LifeHacks

3. Sich engagieren z. B. bei Sportvereinen: für mehr und besser ausgebaute Sport- und Spielplätze, die etwa im Winter bis 18.00/19.00 Uhr beleuchtet sind

Autor: Christian Personn